Liebe Gemeindemitglieder,
Seit 1889 gibt es unsere jüdische Gemeinde. Die Wände der Synagoge sind mehr als ein Jahrhundert alt. Die jüdische Gemeinde Weiden erlebte, Blütezeit, die Tragödie des Zerfalls und eine wunderbare Wiedergeburt. Wir haben sie mit Leben gefüllt, halten wunderschöne Gottesdienste und Vorträge, laden zu Konzerten ein, bieten Ausstellungen an. Unsere Gemeinde ist ein Begegnungsort für den interreligiösen Dialog und wir lehren das Judentum durch Führungen für Schulklassen und Erwachsenengruppen. Wir laden Sie herzlich zu alle unsere Aktivitäten ein.
Wir wünschen Ihnen und Ihren Familien, lieben Mitgliedern der Gemeinde, lieben Freunden Gesundheit, Glück und eine optimistische Zukunft.
1. Vorsitzende Leonid Shaulov
Geschichte
Gegen Mitte des 14.Jahrhunderts wird erstmals die Existenz von Juden in Weiden erstmals erwähnt; vermutlich handelte es sich dabei nur um sehr wenige Juden, die zeitweilig hier lebten. Judensteuer und Judenleibzoll - eingeführt unter der Herrschaft Herzog Ludwigs VII. von Bayern-Ingolstadt - fanden 1416 Erwähnung. Gegen Mitte des 15.Jahrhunderts sollen Juden aus Weiden vertrieben worden sein; spätestens in der zweiten Hälfte des 16.Jahrhunderts ist deren Ausweisung belegt. 1636 musste die Stadt Weiden auf Anweisung der Gebietsherrschaft - gegen den Willen der Bürgerschaft - acht jüdische Familien aufnehmen; deren Aufenthalt endete aber bereits wieder nach kurzer Dauer, da sich erheblicher Widerstand seitens der christlichen Einwohner regte und der Landesherr diesem nachgab und den Juden das Bleiberecht wieder entzog; allerdings schien diese Ausweisungsverfügung nicht strikt zur Ausführung gekommen sein.
Es sollte mehrere Jahrhunderte dauern, bis sich Ende der 1880er Jahre ein Synagogenverein in Weiden gründete, aus dem 1895 eine selbstständige Gemeinde erwuchs; die Mitglieder kamen vor allem aus der Landgemeinde Floß. Grund für den Zuzug war sicherlich die Tatsache, dass sich Weiden nach Anschluss an das Eisenbahnnetz wirtschaftlich schnell entwickelte.
Der erste Betsaal befand sich in den Jahren 1882 bis 1889 im Privathaus von Joseph Wilmersdörfer am Oberen Tor (siehe Abb. unten). Nach der Gründung des Synagogenvereins (1889) waren Betsaal, Gemeinderäume und Schule in einem Neubau in der Ringstraße untergebracht, der am 20.Sept. 1889 durch den Floßer Rabbiner Israel Wittelshöfer feierlich eröffnet wurde. Das zweigeschossige Gebäude unterschied sich kaum von den Nachbarhäusern; nur die im neugotischen Stil gestalteten drei Fenster im Obergeschoss ließen auf die Nutzung als jüdisches Gebetshaus schließen.
Als Jahre später gravierende Baumängel offenkundig wurden, erfolgte 1905 eine aufwändige Sanierung und Erweiterung des Gebäudes.
Zur Verrichtung religiöser Aufgaben war seitens der Gemeinde ein jüdischer Elementarlehrer angestellt; zeitweise war für das Schächten eine weitere Person tätig. Seit 1878 wurde in Weiden regelmäßiger Religionsunterricht erteilt. Knapp ein Jahrzehnt später gab es eine israelitische Elementarschule - zunächst als Privatschule geführt; diese bestand bis 1902, ehe sie dann bis Ende der 1930er Jahre als „Israelitische Volkshauptschule“ fortgeführt wurde.
Ein eigenes Friedhofsgelände hatte die Gemeinde um 1900 nordöstlich der Altstadt am Fohlenweg erworben; bis zu diesem Zeitpunkt diente der Floßer Begräbnisplatz als letzte Ruhestätte der Weidener Juden.
Bis zum Tode des Rabbiners Israel Wittelshöfer gehörte die jüdische Gemeinde Weiden dem Rabbinat Floß an, schloss sich 1896 dem Rabbinat Bayreuth an und wurde 1911 dem Distriktrabbinat Regensburg zugewiesen. Seit 1931 gehörte die Gemeinde Weiden dem neuen Bezirksrabbinat Regensburg-Neumarkt an.
Juden in Weiden: |
||||
um | 1480 | .............. | 4 jüdische | Familien, |
--- | 1640 | .............. | ca. 60 | Juden, |
--- | 1833 | .............. | 2 | “ |
--- | 1875 | .............. | 31 | “ |
--- | 1890 | .............. | 106 | “ |
--- | 1910 | .............. | 156 | “ |
--- | 1920 | .............. | 164 | “ |
--- | 1925 | .............. | 154 | “ |
--- | 1929 | .............. | 175 | “ |
--- | 1933 | .............. | 168 | “ |
--- | 1935 (Jan.) | .............. | 138 | “ |
--- | 1937 (Nov.) | .............. | 103 | “ |
--- | 1939 (Okt.) | .............. | 16 | “ |
--- | 1941 (Okt.) | .............. | 12 | “ |
--- | 1942 (Mai) | .............. | keine | “ |
--- | 1945 (Dez.) | .............. | ca. 470 | “ |
--- | 1946 (Dez.) | .............. | ca. 650 | “ |
--- | 1962 | .............. | 51 | “ |
Angaben aus: Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945, S. 100 und Michael Brenner, Am Beispiel Weiden - Jüdischer Alltag im Nationalsozialismus, S. 53 |
Die jüdischen Bewohner Weidens verdienten ihren Lebensunterhalt vor allem im Handel mit Hopfen, Glasprodukten und Stoffen; auch im Viehhandel waren sie regional engagiert; auch gab es zahlreiche kleinere Geschäftsleute, die den alltäglichen Bedarf der meist ländlichen Bevölkerung abdeckten.
hist. Postkarte, um 1915 (aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Das Obere Tor, rechts davon Geschäfts- u. Wohnhaus von Joseph Wilmersdörfer (hist. Postkarte, Sammlung P.K.Müller)
Wohnhaus von Joseph Wilmersdörfer (hist. Postkarte, Sammlung P.K.Müller)
Zu Beginn der NS-Diktatur 1933 lebten in Weiden etwa 180 Juden - bei einer Gesamtbevölkerung von knapp 23.000 Einwohnern. Die Boykottmaßnahmen des Jahres 1933 stießen bei der hiesigen Bevölkerung auf wenig Resonanz; um die Kunden vom Einkauf in jüdischen Geschäften abzuhalten, wurden „arische“ Käufer in sog. „Schandspalten“ öffentlich gebrandmarkt. Bereits im Januar 1933 waren Schaufensterscheiben zweier jüdischer Geschäfte von Nationalsozialisten zertrümmert worden; in den folgenden Wochen wurden antijüdische Parolen an Hauswänden geschmiert. Nach 1934 wurden die Juden Weidens zunehmend diskriminiert; so hatte die Stadtverwaltung bereits im Sommer 1934 Juden verboten, das städtische Schwimmbad aufzusuchen. Im Dezember des gleichen Jahres wurden Schaufenster jüdischer Geschäfte zertrümmert, vermutlich als Reaktion auf einen Hetz-Artikel in der NS-Zeitung „Bayrische Ostmark”. In Zivil gekleidete NS-Angehörige versperrten „arischen“ Kunden den Weg in jüdische Läden mit dem Hinweis: „Das ist ein jüdisches Geschäft, hier dürfen Sie nicht kaufen!” Zwischen 1937 und 1939 gaben immer mehr jüdische Geschäftsleute ihre Betriebe auf; die meist im Stadtzentrum liegenden Geschäfte verschwanden aus dem Straßenbild; ihre Besitzer emigrierten mehrheitlich. Ende April 1938 erschienen in der Zeitung „Bayrische Ostmark” die folgenden Zeilen:
"... Die Juden wandern ab. Zum ersten Mal seit der Jahrhundertwende ist die Zahl der in Weiden ansässigen Juden unter 100 gesunken. Nach dem Stand vom 1.April 1938 sind in unserer Stadt jetzt 97 Juden ansässig. Wir hoffen, daß sich auch diese in der kommenden Zeit in stärkerem Umfang zum Weggang entschließen. ... Weiden kann sich glücklich schätzen, daß es seit dem Jahre 1933 die Hälfte seiner jüdischen Schmarotzer verloren hat. Noch glücklicher wären wir, wenn auch der letzte Jud den Staub seiner Heimat, die bisher von ihm ausgeplündert wurde, von den Füßen schütteln würde. Wir würden ihm bestimmt keine Träne nachweinen."
An den Ausschreitungen und Zerstörungen des Novemberpogroms von 1938 beteiligten sich in Weiden hauptsächlich ortsansässige SA- und SS-Leute. Diese waren nach der offizielle Gedenkfeier der NSDAP zum „Totengedenktag der Bewegung“ im nahen Neustadt zur Synagoge marschiert, hatten dort Kultgegenstände auf die Straße geworfen und versucht, das Gebäude in Brand zu stecken. Auf Initiative des Bürgermeisters wurde aber von einer Brandlegung Abstand genommen; doch die Inneneirichtung wurde vollständig zerstört. Andere SS-Angehörige verwüsteten Wohnungen von Juden. Im Laufe der Nacht wurden etwa 30 bis 40 Juden zum Rathaus geschleppt und teilweise auch verprügelt, danach von Polizisten ins Landgerichtsgefängnis gebracht. Von hier aus verschleppte man 23 jüdische Männer - über Regensburg - ins KZ Dachau. Zwischen 1933 und 1939 verließen etwa 140 jüdische Bewohner die Stadt; den meisten gelang es zu emigrieren. Die 16 in Weiden zurückgebliebenen Juden wurden zunächst im „Judenhaus“ untergebracht, später dann deportiert. Nach dem letzten Transport erklärte der Weidener Oberbürgermeister 1942 seine Stadt für „judenrein”.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden 35 gebürtige bzw. längere Zeit in Weiden ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer der NS-Gewaltherrschaft. Die Stadt Weiden, in deren Nähe das KZ Flossenbürg lag, war unmittelbar nach Kriegsende ein Sammelpunkt für befreite Häftlinge aus Konzentrationslagern, darunter zahlreiche osteuropäische Juden. Um die Jahreswende 1946/1947 wurden hier ca. 650 Personen gezählt. Auswanderung nach Palästina/Israel und in die USA ließen die Zahl der jüdischen Bewohner deutlich zurückgehen. Die hier verbliebenen Juden gründeten 1953 in Weiden die neue "Israelitische Kultusgemeinde Weiden". Vorsitzender der Gemeinde in Weiden war mehr als vier Jahrzehnte Hermann Zwi Brenner (1916-2004).
Im Neuen Rathaus der Stadt wurde 2020 eine Gedenktafel enthüllt, die namentlich 91 Weidener NS-Opfer nennt. Zwei Jahre später wurden in Weiden die ersten sog. "Stolpersteine" verlegt. Auf dem seit 1901 belegten jüdischen Friedhof in Weiden – er befindet sich nordöstlich der Altstadt – sind heute ca. 80 Grabstätten vorhanden.
Jüdischer Friedhof in Weiden (Aufn. A. Koch, 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Da der bestehende jüdische Friedhof in Weiden in absehbarer Zeit voll belegt sein würde, erwarb die jüdische Gemeinde Weiden 2011 ein 1.500 m² großes Gelände nördlich des Weidener Waldfriedhofs zur Anlage einer neuen Begräbnisstätte.
2005 waren bei der Jüdischen Gemeinde Weiden mehr als 300 Juden gemeldet, davon 280 sog. „Kontingentflüchtlinge“ aus den GUS-Staaten.
In einem unscheinbaren Gebäude in der Ringstraße sind die gemeindlichen Einrichtungen untergebracht.
Nach dem langjährigen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Weiden, Hermann Zwi Brenner (geb. 1916 in Chrzanow/Kremau), wurde 2013 ein Platz an der Campus-Allee benannt. Brenner, der die Shoa überlebte, kam nach Kriegsende nach Weiden, wo er später ein Textilgeschäft betrieb. Als Gründer der jüdischen Nachkriegsgemeinde war er mehr als vier Jahrzehnte deren Vorsitzender; er starb 2004 im Alter von 88 Jahren.
Ende 2022 sollen in Weiden die ersten sog. "Stolpersteine" verlegt werden.
Angaben aus: Internetseite "Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum"